17. Juli. Mittwoch. Die Lieblingskundin hat eine Rechnung bezahlt, so konnte ich heute das Geld an die Krankenkasse überweisen, und zur nächsten Miete fehlt mir auch nicht mehr allzu viel. Ist aber auch nicht mehr viel Zeit, Arbeiten abzuschließen, abzurechnen und den Zahlungseingang abzuwarten…
Heute stilles Vor-mich-hin-arbeiten, denn neben den beiden großen Projekten treibe ich gerade noch fünf kleine voran, jeden Tag so 20-30 Minuten, dann brauchen die am Ende jeweils noch 1-2 Tage konzentriertes Arbeiten am Block und sind fertig. Das ist ein Arbeiten, das mir phasenweise ganz gut gefällt, aber ich merke schon, diese Phase geht zu Ende und jetzt ist wieder mal blockweises Arbeiten angesagt von einem, maximal zwei Projekten am Tag.
Blöd, wenn man einen Kopf hat, der sich extrem schnell langweilt (hier bitte ein stark betontes „extrem“ von Sabine Rückert aus dem Kriminalpodcast der ZEIT denken).
Statt Mittagspause in Sesel und/oder Bett gab es heute eine Runde Extreme Str8ts und Hausarbeit, dann einen LInsensalat und dann weiter Kleinstarbeiten.
Zwischendurch pilgerte ich immer wieder zum neu bepflanzten Blumenkasten und freute mich an der pinkfarbenen Lewisia – so schön!
Abends nochmal Diskussion über die Freundin. Diese Freundin hat Sehr. Viel. Zeug. Genauer gesagt ist ein 90qm-Haus ungelogen vom Boden bis zur Decke vollgestopft mit Kartons voll Klamotten, Bücher, Papieren, Spielzeug, Platten, Noten, Stoffen, Handarbeits-Zubehör, Geschirr, Fotos, Briefen und was weiß ich. dazwischen gibt es Pfade, gegessen und geschlafen wird auf dem Sofa. Der Mann ist schon ausgezogen, der 18-jährige Sohn verteidigt sein Kämmerchen unterm Dach bisher standhaft gegen Lagerungsversuche.
Ihre Zukunft plant sie jetzt folgendermaßen: ‚Ich habe viele Sachen, von denen möchte ich bei einem Umzug sehr viel behalten. Ich brauche also mindestens eine 70-80qm-Wohnung, so 3-4 Zimmer. Die kostet um die 850 Euro. Der Mann verspricht mir einen Unterhalt von 650 Euro. Mit einem 450-Euro-Job könnte ich also die Miete bezahlen, zum Leben brauche ich ja nicht viel. Aber für eine Arbeit brauche ich ja auch Dinge wie Klamotten, eine Monatskarte usw., und für die Wohnung muss ich eine Kaution bezahlen, dann fehlen ein paar Möbel, und ich will ja auch ein bisschen was ansparen, fürs Alter und so, also suche ich mir dann besser gleich einen Job, wo ich mindestens 1300 Euro netto verdiene.‘
Wohlgemerkt, so spricht eine Frau, die 56 Jahre alt ist, in ihrem Leben nach der Ausbildung zur Musikfachhändlerin exakt ein halbes Jahr als Putzfrau gejobbt hat, praktisch keine Computerkenntnisse hat und körperlich und psychisch so stark eingeschränkt ist, dass ich sie mir in keinem Job auch nur eine Woche vorstellen kann. Körperlich anstrengende Jobs hält sie keine Stunde aus, Kopfarbeit scheitert an nicht vorhandenen EDV-Kenntnissen und einer sehr eigenen Sicht auf die Welt. Zudem kann sie nicht repräsentieren, weil sie recht ungepflegt wirkt. Aber 1300 Euro netto aus dem Stand müssen es schon sein, um den gewohnten „Standard“ aufrechterhalten zu können.
Unnötig zu erwähnen, dass sie bisher genau nichts unternommen hat, um auch nur einen Minijob zu bekommen – das Ausbildungszeugnis liegt irgendwo in einem der 800 Kartons, es gibt keinen Lebenslauf, kein Bewerbungsfoto, keine geeignete Kleidung, das äußere Erscheinungsbild ist ein bisschen gruselig und sie hat nicht mal eine grobe Vorstellung, welche Art von Arbeit überhaupt in Frage kommen könnte. Alle Vorschläge werden abgelehnt wegen zu anstrengend, zu früher Arbeitsbeginn, zu weit weg (deshalb hohe Fahrtkosten), zu wenig Geld.
Das ist alles auf so vielen Ebenen nicht mehr nur naiv, sondern geradezu größenwahnsinnig, dass uns gerade der Kopf wegfliegt.
Woran ich mich erinnern will:
Morgensonne im Laub.