13. November. Mittwoch. Die Tage verschwimmen in ihrer Gleichförmigkeit, einer wie der andere. Ich wache morgens auf, und bevor die Augen offen sind, schießen mir immer als erstes folgende Gedanken durch den Kop: Wo bin ich? Welcher Tag ist heute? Steht heute etwas Schreckliches an?Was habe ich heute zu tun?
Erst wenn diese Fragen zu meiner Zufriedenheit beantwortet sind – und es sind weniger ausformulierte Gedanken, als vielmehr Empfindungen, Bilder – kommt die nächste Stufe: Wie spät ist es? Muss ich aufstehen? Will ich aufstehen? Wie wird der Tag verlaufen, wenn ich aufstehe, wie, wenn ich liegenbleibe?
Heute war es halb sechs, als dieser innere Morgenappell stattfand, zu meiner Zufriedenheit ausfiel und Aufstehen als gute Idee klassifizierte.
Der Tag war dann anders als geplant und ein bisschen drunter und drüber, aber insgesamt ok. ich habe Sachen geschafft, nur eben nicht die, die ich mir vorgenommen hatte. Egal, brennt nichts.
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Morgens ein bisschen mit der einen Kundin aneinandergeraten, die gerade wieder etwas kompliziert wird. Sie hat technisches Grundwissen, allerdings wenig Interesse an komplexeren Zusammenhängen, und ich nehme weitestgehend Rücksicht darauf, beschränke Erklärungen aufs Notwendigste und gestalte sie möglichst einfach und ohne zuviel Hintergrund und Abwägung. So weit, so gut.
Manchmal bekommt sie einen Rappel, weil sie irgendwo etwas liest oder hört oder auch nur aufschnappt, was sie entweder in den falschen Hals bekommt oder mangels Wissen falsch versteht. Dann bekomme ich eine Mail, die praktisch immer mit einem Statment beginnt wie „Wegen xyz müssen wir ja jetzt abc machen.“ Dann geht es weiter mit: „Ich habe mal recherchiert, und das müsste dann ja so aussehen wie auf Website Z. Ich schreibe dann jetzt mal alle unsere Kunden an, und Du kannst das dann erledigen. Modul Y soll dafür ganz gut sein.“
Und dann geht es los. Meist ist schon die Grundannahme falsch – wegen xyz müssen wir keineswegs abc machen, sondern wir machen am besten mal gar nichts, weil xyz noch gar nicht feststeht, oder bestenfalls machen wir 123 – dann ist das Beispiel schlecht gewählt, weil im Beispiel genau zyx gemacht wird statt xyz, und dann ist das „empfohlene“ Modul seit drei Jahren nicht aktualisiert worden, also zum einen soweiso für den aktuellen Fall nicht anwendbar und darüberhinaus auch noch ein technisches und Sicherheitsrisiko.
Und das alles drösele ich dann auseinander, belege meinen Widerspruch mit (aktuellen!) Links und Stellungnahmen und komme letztendlich zu dem Schluss: Am besten machen wir jetzt mal gar nichts!
Das frustriert sie dann und anstatt sich selber einzulesen und mir Gegenargumente zu bringen, fängt sie dann an zu dsikutieren: A mache das aber auch so, dann könne das so falsch doch nicht sein. Muss ich erwähnen, dass A ein Softwarekonzern mit dem monatlichen Budget eines kleineren Staates ist? Und dann: Ein anderer Dienstleister mache das aber. Und dann: Warum ich immer so kompliziert sei.
Ja, sorry, so etwas nennt man „Beratung“. Ziemlich neues Konzept, ich weiß.
Heute war es also wieder mal soweit, und es endete erst als ich mich auf der bockigen Fünfährigen in ihr quasi augenrollend und sinngemäß schrieb: „Es ist zwar Unsinn, aber wenn Sie das unbedingt wollen, sagen Sie mir Bescheid, dann schaue ich wie hoch der Aufwand wäre und was es kostet.“ Seitdem: Grillenzirpen.
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Später dann anderthalb Stunden mit H. zusammengesessen und letztendlich entschieden, dass wir vor Weihnachten nicht mehr ins Dorf fahren. Die Entscheidung fiel ihm schwerer als mir (mir fällt eher ein Stein vom Herzen, dieses Jahr mal wieder ohne Megastress in die Weihnachtsvorbereitungen gehen zu können), aber es kam dann letztendlich aus ihm heraus, und damit steht das dann auch. Ich bin ein bisschen froh.
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Dann: Eine große Rechnung geschrieben (mal sehen, ob ich mich vor Weihnachten noch über das Geld freuen darf), auf einer Website eine Grafik eingefügt und für einen Kunden recherchiert, was beim gewählten Homapge-Baukasten gemacht werden muss, damit die Seite auch auf dem Tablet vernünftig aussieht.
Spoiler: Jede einzelne Seite muss separat in einer mobilen Version angelegt werden. Auch hübsch, man gönnt sich ja sonst nichts. Von Media Queries haben die anscheinend noch nie etwas gehört. Oder nur in ihrem Sinne („Auf Android-Tablets wird die mobile Version Ihrer Seite angezeigt, auf iPads die Desktop-Version“).
Zum Mittags-Imbiss auf arte.tv die Doku Fake America Great Again (2018, von Thomas Huchon) über Cambridge Analytica gesehen. Der feuchte Traum eines jeden Datensammlers und ein Schlag ins Gesicht in all die „Ich hab ja nichts zu verbergen“-Dumpfnasen.
Dann nochmal Telefonate und Mails, und dann ist es auch gut; XY-Rudi wartet.
Woran ich mich erinnern will:
Wer Dinge steuern will, kommt ums Manipulieren nicht herum. Ist das nun menschlich oder systemimmanent? Vermeidbar oder unvermeidbar? Gut oder böse? Rechtfertigt das Ziel die Mittel? Es ist kompliziert.