Anna denkt nach, Anna schreibt, Miniaturen

Was zählt

28. Dezember. Samstag. Gut geschlafen bis halb fünf, dann unruhig bis halb acht. Zwischendurch immer wieder aufgeschreckt und nachgedacht, was ich für Klamotten mitnehmen soll, wie ich in K. meinen Tagesablauf gestalten soll und ob ich überhaupt Lust habe hinzufahren.

Tagsüber trat das aber in den Hintergrund. Erstmal hatte ich nochmal die letzte Mail der Freundin und H.s Kommentare dazu gelesen, und da machte in meinem Kopf etwas plötzlich „Klick“ und ich schrieb relativ schnell meine lange bebrütete Jahresabschlussmail, denn ich kann diesen Stress und dieses Hickhack in meinem Leben wirklich nicht mehr brauchen. Im Rückblick haben wir in diesem Jahr jede Woche mehrere Stunden damit verbracht, den Freunden zu helfen, ihnen zuzuhören, sie zu lesen, uns Gedanken darüber zu machen, was etwas zu bedeuten hat, warum jemand so oder so agiert und wie wir damit umgehen können. Ich möchte das nicht mehr, ich bin dessen so unglaublich müde.

Wir wollen lediglich als Publikum oder Echokammer dienen, eine eigene Meinung zu Dingen ist nicht erwünscht. Geben wir Ratschläge, mischenw ir uns ein, bevormunden, behandeln von oben herab. Sagen wir nichts, interessieren wir uns nicht, fühlen uns über ihre Probleme erhaben. Wir können nichts richtig machen, und je mehr wir auch für unsere Sicht Verständnis einfordern, umso mehr werden wir diskreditiert als wahlweise hyperempfindlich oder kleinbürgerlich-heuchlerisch.
„Was willst Du denn mit solchen Menschen in Deinem Leben?“ frage ich am Anfang der Mail und ende mit „Ich wünsche Dir (…) dass Du Menschen findest, die Dir besser tun als wir es offenbar können.“
Und das meine ich ehrlich.
Ich mag nicht mehr.

Nach der Mail spüre ich eine Mischung aus Traurigkeit und Erleichterung. Die wahre Befreiung spüre ich noch nicht, noch ist das Thema ja auch nicht abgeschlossen, und ich weiß, wenn diese tiefe Müdigkeit in mir mal wieder nachlässt, werde ich doch auch wieder bereit zur Auseinandersetzung sein. Im Augenblick will ich zu jedem der vielen Sätze in ihren langen Mails nur fragen: Warum schreibst Du mir das? Was erwartest/ wünschst Du Dir von mir?

* * * * *

Nachmittags Rechner und Browsertabs aufgeräumt, Daten synchronisiert, Wäsche gewaschen, in der Wohnung aufgeräumt, in einem anderen Blog aufgeräumt. Sie hat die Adresse und ich will nicht mehr, dass sie Persönliches von mir lesen kann.

Abends das Jahrestreffen mit vier wirklichen Freunden, und es ist wie ein Urlaub: So einfach und klar kann Kommunikation sein, so respekt- und verständnisvoll kann man miteinander umgehen, und da ist dann auch Raum, über sich und den anderen zu lachen, ohne dass jemand verletzt wird/ ist.
Das ist so so großartig, und ich bin sehr glücklich und dankbar, dass mein Jahr so endet, denn das gibt mir Hoffnung für das neue und rückt mal wieder meine Perspektive gerade: So geht Freundschaft!

Woran ich mich erinnern will:
An diesen seltsamen zusammengewürfelten Haufen von Menschen, jeder mit seinen Problemen und Narben, Hoffnungen und Zweifeln, von denen sich keiner für den Nabel der Welt hält und die alle gelernt haben, dass Leben und leben lassen alles ist, was zählt.

 

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