25. März 2020. Mittwoch. Die Zeit verfliegt, ich muss aufpassen, dass ich mich nicht im Abarbeiten von Kleinigkeiten verliere, die schnell aber wenig Geld einbringen, und dabei die größeren Projekte schleifen lasse.
Heute um halb sechs aufgestanden, das fühlte sich ok an. Jeden Morgen geht die Sonne auf, singen die Vögel, leuchten die Blumen im Kasten vor meinem Fenster, ist es angenehm still auf den Straßen: So gefällt mir das.
Bisher höre ich von keinen Erkrankungen im Familien-, Freundes-, Bekannten- oder Kundenkreis, und ich fürchte, wenn das der Mehrheit der Deutschen so geht, wird die Bereitschaft zum freiweilligen Hausarrest bald abnehmen. Da offiziell alles geschlossen hat, werden wohl zunehmend konspirative Zusammenkünfte im privaten Kreis hinter verschlossenen Türen stattfinden, quasi Guerilla-Parties.
Gleichzeitig quälen mich neben den eigenen Existenzängsten und -sorgen die der anderen (in no particular order): des kleinen Restaurants im Nachbarhaus, mit dessen Betreibern wir befreundet sind. Der Lehrerein, die sich mit der Frenbetreuung ihrer Schüler gerade ziemlich alleingelassen fühlt. Der Nichte in Brexit-Land, die mit Symptomen und einem Kind im Kindergartenalter in häuslicher Quarantäne festsitzt. All der Inhaber kleiner Läden in meinem Viertel, die ich kenne und die jetzt nicht wissen, wie es weitergeht, trotz Rettungsschirm und allem, denn: wieviel Geld wird es geben, wie lange wird das reichen, wie wird alles weitergehen? Der Menschen, die durch alle Netze fallen, weil sie aus psychischen oder physischen oder materiellen Gründen nicht in der Lage sind, sich Hilfe zu organisieren.
Und bei mir? Ich habe zwar viel Arbeit, aber: wird die auch bezahlt werden? Und wann? Schon jetzt reicht es nicht für die aktuelle Miete, Krankenkasse habe ich diesen Monat nicht bezahlt, die Umsatzsteuerzahlung fürs erste Quartal ist in zwei Wochen fällig.
Gut, solche Situationen hatte ich öfter, aber da war immer irgendwas in Aussicht, immer ein: Nächsten Monat wird es besser. Aber wer weiß das heute schon? Diese ganz und gar unsichere Zukunft macht mir momentan schwer zu schaffen, und dass diese Situation für sehr viele andere Menschen auch und in vermutlich viel höherem Maße besteht, macht es gerade nicht besser, sondern eher schlimmer.
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Und sonst so:
Heute viel telefoniert: Zuerst knapp anderthalb Stunden mit M., neben Alltagskram und Beruhigung standen ein paar PC-Hilfen an: Wie lädt man das Prepaid-Guthaben via Online-Banking auf, Anmeldung in einem Netzwerk. Eigentlich wollten wir ach die Steuer machen, aber Elster war wegen Wartungsarebiten vormittags geschlossen. Vertagt auf Freitag.
Dann ein fast einstündiges Telefonat mit der Lieblingskundin, das nur zweimal von den Kindern unterbrochen wurde, einmal weil es eine eskalierende Rangeleit mit Schlägen und Heulen gab, einmal, weil dringend Watte benötigt wurde. „Die haben da so eine Schulaufgabe, wo sie eine Feuerschale bauen“, und ich dachte mir, ob das eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe ist, und wie da wohl sichergestellt wird, dass wirklich überall Eltern da sind, die das beaufsichtigen?
Dann zwei Stunden Telefonpause, die ich mit essen, Planung, spielen, Meditation, aufräumen, saugen und lesen verbrachte.
Es folgte ein Telefontermin mit einem sporadischen Kunden, der vor einigen Monaten Deutschland verlassen hatte und mir von der Situation in seinem Land berichtete (ähnlich wie hier, nur müssen zum Rausgehen Formulare ausgefüllt und bei sich getragen werden). Er hat ein neues Projekt an Land gezogen, für das er meine Hilfe benötigt – wenn der Preis stimmt. Er ist ein schneller und zuverläsiger Zahler, also werde ich wohl dafür sorgen, dass der Preis stimmt.
Dann verspätetes Mittagessen und eine lange Pause, die ich lesend im Bett verbrachte. Immer wenn ich kurz vor dem Eindösen war, schreckte innere Unruhe mich wieder hoch, bis ich entnervt aufstand. Noch etwas Kleinkram-Arbeit, Internetlesen, Geschirr spülen.
Jetzt bin ich unendlich müde und psychisch angestrengt und möchte nur noch schlafenschlafenschlafen.
Woran ich mich erinnern will:
Welche Gespräche mich anstrengen und welche mir Kraft geben.
What I did today that could matter a year from now:
Zu Hause bleiben.
Über neue Projekte sprechen.
Grenzen setzen.
Was wichtig war:
Zuhören.
Beruhigen.
Aufmuntern.
Beraten.
Ausruhen.