Anna denkt nach, Anna schreibt, Miniaturen

Der dreiundsechzigste Tag im Danach: Vom Versuch, Ruhe zu finden

Der Wellengang beruhigt sich hier, das verstehe ich nicht. Weil es einen Übergang gab und keinen Bruch? Ich sehne mich sehr nach allem, was H. mir gegeben hat: Liebe, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Austausch. Fühle eine große innere Leere.

30. März 2021. Dienstag. So viel liegt an, ich muss mich zwingen, langsam zu machen und mir nicht gleich wieder zu viel vorzunehmen. Der Tag nach einem Reisetag sollte der Erholung dienen, denn das ist alles anstrengend – jetzt noch mehr als sonst.

Aufgestanden um halb sieben, mein Schlafpensum pendelt sich bei etwa sechs Stunden ein. Immerhin sechs durchgeschlafene Stunden ohne Angst und schlechte Gedanken. Ein Riesen-Fortschritt.
Trotzdem bin ich schon beim Aufstehen müde; vielleicht probiere ich es demnächst doch mal mit Mittagsschlaf.

Wenig vornehmen, aber ein bisschen was gibt es doch zu tun.
Ich spüre eine gewisse Ermattung. Nicht ganz depressive Verstimmung, eher so eine allgemeien Erschöpfung und latente Traurigkeit. Einsamkeit. Trostlosigkeit.

Denke nach über den Trost. Den Unterschied von trostlos und untröstlich. Da ist kein Trost versus Da hilft kein Trost. Kann es überhaupt Trost geben? Was könnte mich trösten?

Ich würde so gerne mit H. sprechen. Manche scheiben Briefe an ihre Verstorbenen oder nehmen gesprochene Texte auf. Wir haben uns nie groß Briefe geschrieben, wir haben immer miteinander telefoniert. Als Ersatz eine Mail, wenn es nicht anders ging, aber unser Medium war die Sprache, der direkte Austausch, die Kommunikation, das Gespräch.
Wie soll ich das fortführen? Es geht nicht. Das Gespräch ist abgerissen und kann nicht wieder aufgenommen werden.
Mails schreiben, auf die ich keine Antwort mehr erhalte? So sinnlos.

* * * * *

Freundin B. hat heute keine Zeit, mit mir spazieren zu gehen.
M. geht es nicht besser, da muss ich morgen hin: einkaufen, eventuell Fernseher und PC einrichten, ein anderes Telefon mitbringen.
Ich würde gerne KU sehen, aber es sieht zu drängelig aus, wenn ich da jetzt gleich wieder anrufe.
Freund B. würde sich mit mir treffen, aber das bedeutet für einen von beiden wieder einen Haufen Fahrerei. Vielleicht Ostern (Freitag/ Samstag)?
Weiß nicht so recht, wohin mit mir; „einfach nur ausruhen“ fällt mir schwer. Sehne mich nach Kontakt, gleichzeitig ist mir alles zu viel.

* * * * *

Es gibt Dinge, die glaubt man nur, wenn man sie sich mmer wieder selbst bestätigt, etwa dass mir körperliche Aktivität ganz ungemein bei meinen depressiven Verstimmungen hilft. Heute also Einkauf, rübergehen in H.s Wohnung, Blumen gießen, schnell zwei Taschen voll Aktenordner packen und wieder gehen. Ob es nun das Rausgehen, das Treppensteigen oder das sonnige Frühlingswetter war, was die Stimmung hob, ist ja dann auch egal, das Ergebnis zählt.

Anschließend gleich mal geplant, was ich die nächsten sieben Tage in H.s Wohnung schaffen will.
Und dann gleich mal weitergeplant, was ich die nächsten sieben Tage sonst so machen will (oder muss).

Einen Obstsalat gegessen. Mails gelesen und beantwortet. Eine Kleinigkeit auf einer Website korrigiert. Ein anderes Projekt geplant.

Kurz vor drei dann doch so müde, dass ich mich kurz hinlege und mir dazu eine ARTE-Doku aus der mdiathek anmache. Ich atme und entspanne mich ganz hervorragend, und als ich gute anderthab Stunden später aufwache, bin ich gerädert, aber zufrieden: Es geht ja doch (wieder).

Leider bleibt der Kopf matschig und müde. Nicht genug! schreit alles in mir, aber wir wollen ja nachts auch noch schlafen, nicht wahr?

* * * * *

Mails beantwortet, mit einem Projekt der Lieblingskundin (Redesign) gestartet, Überblick über abrechenbare Arbeiten erstellt.

Grundtraurigkeit. Aber das ist okay.

Weitergeleitete Mail; die Cousine und ihre Frau haben ein Baby bekommen, ein Mädchen. Wie schön! Das wird in 12-13 Jahren bestimmt rund gehen mit drei Frauen in einem Haushalt…

M. angerufen, es geht ihr viel besser, die Schmerzmittel scheinen zu wirken. Außerdem hat sie sich nun rundum Informationen geholt und sieht klarer. Morgen fahre ich hin und Ostern auch. das muss reichen.

P. angerufen und alles für Ostern verabredet. Bei ihm war jetzt erstmalig eine Putzhilfe und hat mal Grund reingebracht. Große Erleichterung. Ich müsste sie zahlen, einfach als Entlastung.

* * * * *

Zum Abendbrot selbstgemachten Eiersalat, gekauften Wurstsalat und Brot mit Frischkäse. Dazu ein kleines Bier aus K. (Beisetzungslieferung). In K. habe ich jeden Tag ein Bier getrunken, das war ganz nett, es ist enfach ein anderer Geschmack als ewig nur Kaffee und Wasser und hat nicht soviel Alkohol wie Wein.

Der Mittagsschlaf macht sich bemerkbar: Der Kopf kann abends noch denken. Ich lasse auf ARTE die Doku über den Irak-Krieg laufen und räume rum: Geschirr weg, H.s Unterlagen wegräumen, mein Telefon sauber machen (das bekommt M. morgen), die Zeiterfassung für gestern nachtragen, die Veränderungen für H. aufschreiben, die Unterlagen der GEMA zusammensuchen.

Ich funktioniere gut, darunter liegt ein Layer aus Traurigkeit, dazwischen einer aus Sehnsucht nach einem geliebten Menschen in meinem Leben.

Im Fernsehen Lauterbach bei Krömer. Ins Bett und lesen. Dass das wieder geht…

* * * * *

Woran ich mich erinnern will:
Mittagsschlaf.

What I did today that could matter a year from now:
?

Was wichtig war:
Raus gehen.
Etwas tun.
In die Wohnung gehen.
Mittagsschlaf.
Kontakt aufnehmen.
Hoffen.
Atmen.
Durchhalten.

Begegnungsnotizen:
Menschen auf der Straße und im kleinen Supermarkt.
Ein Handwerker im Treppenhaus.

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