Anna denkt nach, Anna schreibt, Miniaturen

Der siebzigste Tag im Danach: Weitere Hiobs-Botschaften kündigen sich an

Es geht immer noch mehr Stress.

6. April 2021. Dienstag. Geschlafen bis halb sieben, morgens ein paar Mal aufgewacht, aber keine doofen Gedanken gehabt, nur allgemein Stress.

Dieser Stress setzte sich dann den Tag über fort und steigerte sich, da waren die bereits am Morgen vorhandenen Kopfschmerzen natürlich nicht besonders hilfreich.

Der Tag in Kurzform:

Morgens eine Dreiviertelstunde am aktuellen (ganz furchtbar dringenden) Projekt der Lieblingskundin arbeiten, kurz mit M. sprechen (natürlich seit gestern Abend nichts Neues), frühstücken, 20 Minuten mit der Lieblingskundin telefonieren.

Schneller kleiner Einkauf, nur das Nötigste, zum ersten Mal komplett ohne Beklemmungen im Supermarkt – wahrscheinlich war ich einfach zu sehr in Eile.

In H.s Wohnung, die Musik-Instrumente und -Gerätschaften auflisten und fotografieren, denn sie sollten heute abgeholt werden, und nachher weiß wieder niemand genau, was da alles war…
Einmachgläser aus dem Flur ins Wohnzimmer räumen, 2 Flurregale durchsehen und aussortieren, Klamotten durchsehen und aussortieren. Vor zwei Montane konnte ich mir nicht vorstellen, auch nur eine Unterhose wegzugeben, jetzt schaue ich selbst Sachen, die er oft getragen hat, fast emotionslos an. Interessant.

Zusammen mit Freund B. die Musiksachen runtertragen und gleich etwas Müll mitnehmen; B.s Sohn D. verschwindet gleich wieder, er ist auch ein wenig angespannt und durcheinander (Drogen-Problematik).

Dann noch eine Weile mit B. in der Wohnung, er erzählt mir von einem unheimlichen Blackout, den er morgens hatte, wir werden wohl beide an beginnenden Alzheimer erinnert, sprechen das Wort aber nicht aus. Es klingt auf jeden Fall besorgniserregend, auch wenn B. das auf hohen emotionalen Stress gestern Abend zurückführt (Brief der Tochter L.).
Auch heute erscheint er mir wuschig, unkonzentriert, planlos. Es macht mir ein wenig Angst, weil ich niemanden habe, mit dem ich das teilen kann und der ihn auch (gut) kennt.

Nach der Räumerei haben wir Hunger, ich hole zwei Pizzen, während B. einen Parkplatz sucht, dann gehen wir zu mir, um zu essen.
Nach dem Essen, kippt B. kurz halb vorneüber, es sieht aus wie ein Sekundenschlaf, das ängstigt mich etwas. Er ist aber sofort wieder da, meint auch, er sei müde, und er gehe jetzt erstmal einen Freund besuchen, der in der Nähe wohnt. So würde ich ihn jetzt auch nicht Auto fahren lassen wollen, aber was könnte ich im Zweifelsfall ausrichten?

Als er gegangen ist, starte ich mit Rückrufen bei den Leuten die tagsüber angerufen hatten. Zuerst die Lieblingskundin, wir sprechen eine Dreiviertelstunde, das Projekt dreht sich aktuell zweimal am Tag.

Dann Anruf des IT-Betreuers eines anderen Kunden, aber ich kann nur bedingt helfen. Immerhin erfahre ich, dass die neue Geschäftsführerin des Kunden mich dringend sprechen muss, das hatte ich auch schon ihrer Mail entnommen; zum Abhören des Anrufbeantworters war ich noch nicht gekommen. Also rufe ich als nächstes sie an und kläre die aktuelle Situation: Sie sollte eigentlich diesen Monat eingearbeitet werden, nun ist die bisherige Geschäftsführerin krank und für Fragen nicht ansprechbar. Ich verspreche zu helfen, so gut ich kann.

Das erinnert mich, dass die bisherige Geschäftsführerin letzte Woche auf meinen AB gesprochen, ich das aber noch nicht abgehört hatte, weil ich dachte, sie wolle Druck machen, weil wir verabredet hatten, dass bis Ostern ein paar Sachen erledigt werden, zu denen ich beim besten Willen noch nicht gekommen war.
Nun höre ich ihre Nachricht ab, sie rief aus dem Krankenhaus an, sagte, ihr gehe es gar nicht gut. Shit! Ich rufe sofort zurück, sie hat aber gerade keine Zeit zu sprechen, verspricht zurückzurufen.
Wohl noch eine Hiobsbotschaft.

Inzwischen ist es vier Uhr, ich erledige noch etwas Kleinkram für eine andere Kundin, beantworte Mails und SMS und sehne mich zunehmend nach einer vertrauten Person, der ich das alles erzählen und bei der ich wieder runter und zur Ruhe kommen kann.

Der Kopf rattert am Anschlag, Kopf und Zähne schmerzen, auch ein leichter Schluckschmerz macht sich bemerkbar, von starkem Herzklopfen ganz zu schweigen.
Ich muss runterkommen!

Mache mir einen Kaffee mit viel Milch und ein Stück Kuchen von Ostern von P. und bearbeite ein paar Fotos, atme, entspanne mich bewusst, leere den Kopf.
Es funktioniert leidlich, zumindest ist mal die Panik und Hysterie etwas gedämpft.

Ich plane, schreibe, mache die Steuer für H. Es ist wenig, ich mache das gleich mit ELSTER fertig und überweise auch sofort. Wieder was erledigt und vom Zettel.
Eine Mail ist gekommen mit der Höhe des Lottogewinns: H.s Zahlen haben 288 Euro eingebracht, so viel hat er in seiner gesamten Lotto-Zeit seit 2015 insgesamt nicht gewonnen. Das Geld werde ich zu „seinem“ Geld packen, davon wird dann irgendwann mal was in seinem Sinne finanziert, wahrscheinlich im Haus.

Es ist sieben, ich rufe M. an, die wieder begeistert von sich erzählt und das Gespräch schnell beendet als ich beginne, von meinem Tag und anderen Menschen zu sprechen. Den Trick muss ich mir merken.

Während die Spargelschalen von gestern für die Suppe auskochen, sehe ich H.s Ordner durch auf der Suche nach dem Mietvertrag. Dabei finde ich auch einen GEMA-Ordner, den merke ich mir für später vor. Ich checke das Fernsehprogramm und plane die Räumaktionen in seiner Wohnung für die nächsten Tage. Ich muss dringend den Trödler anrufen!

Die Spargelsuppe schmeckt nicht berühmt, ich habe wohl zuviel Mehl genommen, außerdem ist der griechische Spargel nicht so geschmacksintensiv wie der Brandenburger.
Aber es ist warm, weich und sättigt, und das frische Weißbrot dazu ist ausgesprochen lecker.

Auf ARTE eine Doku über Trumps Amtszeit und seine Außenpolitik, ich höre nur mit einem halben Ohr hin, obwohl es interessant ist, ein paar Hintergründe und Begleitumstände zu manchen Entscheidungen zu erfahren.
Nebenbei räume ich die Taschen mit Sachen aus H.s Wohnung aus und spiele noch ein bisschen zum Runterkommen.

* * * * *

Woran ich mich erinnern will:
Ein antizipierter Stressanruf hat sich als etwas ganz aneres herausgestellt, so dass erstmal etwas akuter Druck raus ist.

What I did today that could matter a year from now:
?

Was wichtig war:
Räumen.
Planen.
Zuhören.
Anrufen.
Hilfe anbieten.
Atmen.

Begegnungsnotizen:
Menschen auf der Straße und im kleinen Supermarkt.
Freund B. und Sohn D. in H.s Wohnung (ohne Maske, Abstand).
Verkäufer Pizzeria (Maske, Abstand)

Standard

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..