Anna denkt nach, Anna schreibt, Miniaturen

Der hunderfünfundfünfzigste Tag im Danach: Spontan frei nehmen

30. Juni 2021. Mittwoch. Schlecht geschlafen. Sauna. Es regnet die halbe Nacht, morgens sind draußen „nur“ 19 Grad (später sollen 21 werden), aber es ist Waschküchenklima, der Schweiß steht auf der Haut und hat keine Chance zu verdunsten.

Ich bin schon beim Aufwachen unter Druck angesichts all der Dinge, die mir im Kopf herumspuken. Beklemmungen in der Brust, Verspannungen im ganzen Körper. Ich bin gestresst und ich weiß es. Nur was ich dagegen tun kann, weiß ich nicht. Ungefähr zehnmal am Tag versuche ich, mich selbst zu beruhigen, Dinge vom Zettel zu nehmen („das ist jetzt nicht wichtig, das mache ich irgendwann“), Dinge zu klären, Dinge abzuarbeiten, aber für jedes Ding, was weggeht, kommen zwei neue hinzu. Ich fühle mich unendlich allein und hilflos. Ich will nicht alles allein machen und entscheiden und planen und aushalten müssen!

Immerhin ist morgens das Geld der Lieblingskundin auf dem Konto, und ich kann die Miete bezahlen. das war knapp!

Letztendlich nehme ich mir den Tag frei. Scheiß drauf. Da ist nichts so wichtig, dass ich darüber krank werden sollte.
Stattdessen backe ich einen schnellen Rührkuchen für das Jubiläum von H.s Firma morgen. Es ist mir ein Bedürfnis, das stellvertretend für ihn zu feiern, auch wenn es höllisch weh tut.
Ansonsten verbringe ich den Tag lesend im Sessel beziehungswiese mit Kunden am Telefon.

Mittag fahre ich zum Hauptbahnhof, um Freund B. vom Zug abzuholen. Er war eine Woche bei Freunden und Verwandten in seiner alten Heimat.
Er war extrem nervös und angespannt, als er aus dem Zug ausstieg und blieb es auch die ganze Fahrt zu ihm nach Hause (er wollte ein Taxi nehmen, was sicher besser für seinen Zustand war als die überfüllte S-Bahn). Hatte deshalb wohl auch kaum geschlafen letzte Nacht. Seltsam, ich spüre ja auch seit ein paar Tagen diese extreme Anspannung. Ist es doch ein Zusammenspiel von Wetter und Kreislauf? Oder Stress?

Ich begleite ihn nach Hause und versuche, Ruhe auszustrahlen. Er kommt auch zusehends runter. Als wir ins benachbarte Restaurant aufbrechen, dort gemütlich sitzen und essen, beruhigt er sich sichtlich. Womöglich war das Zusammensein mit den Leuten auch einfach anstrengender als er sich zugestehen wollte (er hat Asperger).

Kurz vor acht bin ich wieder zu Hause, dieser freie Tag hat richtig gut getan.

* * * * *

Woran ich mich erinnern will:
Schöne kleine Dinge: Kuchenduft, auf dem Bahnhof sein können, ohne weinen zu müssen, jemand freut sich, mich zu sehen, essen gehen.

What I did today that could matter a year from now:
.

Was wichtig war:
Einen Gang runterschalten.
Auf mich hören.
Unterwegs sein.
Für jemanden da sein.
Etwas wiederbekommen, was ich verloren habe.

Begegnungsnotizen:
Freund B.
Menschen in U- und S-Bahn und im Restaurant.

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