Anna denkt nach, Anna schreibt, Miniaturen

Der hundertdreiundachzigste Tag im Danach: Drum singe, wem Gesang gegeben

28. Juli 2021. Mittwoch. Kurz vor halb sieben von einem Katzenstreit in unserem Garten geweckt und kurz danach aufgestanden. Etwas lustlos in den Tag gestartet, auch der Rechner hat keine Lust und muckt vor sich hin.

Freund B. hat still und leise allein gefrühstückt, weil er dachte, ich hätte schon gegessen. Ist der Mann so ein Kommunikationsmuffel oder wollte er lieber allein sein, konnte das aber nicht ausdrücken?
Es ist mir mittlerweile auch egal, ich bin froh, wenn er Samstag zurück fährt; ich habe keine Kraft, mir auch noch ständig über seine Befindlichkeit Gedanken zu machen oder einsilbige Antworten abzuholen.

Um zehn steht der Nachbar mit der Kettensäge vor der Tür und wir holen die beiden Baumstümpfe raus, an denen ich zwei oder drei Jahre herumgegraben habe, um die Wurzeln freizulegen.
Ein trauriger Moment, und ich betäube die Gefühle mit Arbeit und schippe wie eine Wahnsinnige Erde in die Löcher.

Später kommt die Traurigkeit richtig raus, die Tränen fließen, und ich weine um H., um die Bäume, den Garten, das Haus, mein bisheriges und mein zukünftiges Leben, aus Einsamkeit, Erschöpfung und Unsicherheit.
Ich bin sauer, weil B. nicht wahrnimmt, wie es mir geht, und gleichzeitig froh, weil ich ausgerechnet von ihm jetzt auch nicht getröstet werden will – seine Worte des Trostes erscheinen mir mittlerweile unaufrichtig und hohl, wie etwas, was man tut, weil es erwartet wird, ohne richtiges Gefühl dahinter.
Vielleicht tue ich ihm Unrecht, ich weiß gar nichts mehr.

Abends sind wir bei den Nachbarn zum Grillen eingeladen; vorher fahre ich mit dem Nachbarn noch in den Supermarkt, um Fleisch zu holen.

Der Abend wird schön, wir sprechen über dies und das, B. wird aufgefordert, ein wenig zu singen (er schleppte ja einen riesigen Gitarrenkoffer mit, den haben sie gesehen und sind gleich drauf angesprungen). Er spielt gut, aber leider auch viele Lieder, die nicht gut zu seiner Stimmlage passen.
Und er hat leider kein Gespür für die Situation: Die Nachbarin wird ab 22:00 Uhr zunehmend nervös, weil man im Garten sitzt und rundherum Leute wohnen, die arbeiten müssen. B. aber ignoriert das völlig und spielt immer lauter und muss schließlich regelrecht gestoppt werden. Er hätte wohl noch zwei Stunden weitergemacht.
Ausdruck des Asperger?

Es wird halb eins, bis wir aufbrechen.

* * * * *

Woran ich mich erinnern will:
Nachbarschaft, Freundschaft

What I did today that could matter a year from now:
Wurzeln rausholen

Was wichtig war:
Da sein.
Reagieren.
Anpacken.
Jemandem die Führung überlassen.
Weinen.

Begegnungsnotizen:
Freund B.
Nachbarn C. und D.

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