Anna denkt nach, Anna schreibt, Miniaturen

Viel

24. Juli 2022. Sonntag. Eine anstrengende Woche liegt hinter mir, ich habe alles gut geschafft und überstanden, aber nun bin ich auch erschöpft:

Am Montag Telefonate wegen des Vaters Angelegenheiten (gemietete medizinische Geräte und Dienste abmelden und Abholung organisieren), eine Liste für den Bestatter machen, wo er überall abgemeldet werden muss (Rente usw., den Kleinkram erledige ich selber nach und nach), Telefonat mit der Floristin, ob sie wieder eine Überurne machen kann, mit Blumen aus seinem Garten; eine Liste machen, wer alles eine Trauerkarte bekommen soll. Nachmittags Freundin K. getroffen und zur Trauerbegleiterin gegangen, die nun zwei Wochen verreist. Immerhin gab es diesen Termin noch.

Am Dienstag alles geplant, was jetzt bis zur Beisetzung (und kurz danach) ansteht, alles irgendwie im Kalender sortiert und Aufgabenlisten erstellt. So ist es aus dem Kopf heraus und ich muss jeden Tag nur abarbeiten und ergänzen. Weitere Telefonate: Mit dem Krankenhaus wegen der Autopsie und der Abholung der Papiere, mit der Mutter wegen einer möglichen Aufbahrung/ Abschiednahme, mit dem Bestatter, mit der Verleihfirma der Sauerstoffgeräte. Der Bestatter sendet mir den Bestattungsauftrag per E-Mail, den ich ausfülle und zurückschicke. Was bin ich froh, dass wir befreundet und ein eingespieltes Team sind, so können wir solchen Verwaltungskram nebenbei erledigen und die Treffen für wirklich Wichtiges nutzen. Abends die Trauerkarte gebastelt und bestellt, dafür recht großen Aufwand mit der Bildbearbeitung betrieben, weil auf den schönen Fotos immer jemand rausretuschiert werden musste. Langes Telefonat mit der Cousine.

Am Mittwoch war des Vaters Geburtstag und bei 38 Grad wollte ich seinen Wunsch nach Sahnetorte so nicht erfüllen. Ich versprach ihm, dass wir das nachholen. Ich fuhr in seine Wohnung, goss den Garten, sah Lebensmittel durch und arbeitete mich in seine Krankenkostenabrechnung ein. Nachmittags fuhr ich zur Tante, sie hatte Schoko-Sahne-Torte besorgt (nicht ganz des Vaters Geschmack, aber unserer), und wir saßen lange und redeten. Der Bestatter hatte mir noch ein Formular fürs Standesamt geschickt, das ich ausfüllte. Außerdem die benötigten Urkunden kopiert.

Am Donnerstag Vormittag kam der Bestatter auf dem Weg zum Standesamt bei mir vorbei, sammelte die Unterlagen ein und wir hielten noch ein Schwätzchen und besprachen die nächsten Schritte. Später rief er an und berichtete vom Standesamtsbesuch, wo es ihm gelungen war, die einzige momentan anwesende Mitarbeiterin (alle sind krank oder in Urlaub) zu erwischen. Nachmittags war ich in der Galerie, wo nochmal eine kleine Veranstaltung stattfand. Das sind so nette Leute, es tat gut, mit ihnen zu tun zu haben. Ich hätte das jetzt nicht machen müssen, hätte „natürlich“ zu Hause bleiben können, aber es tat mir gut, was anderes, vertrautes zu machen und normales Leben zu leben. Eine Stunde, in der es sich nicht um Trauer und Tod dreht, war sehr willkommen. Anschließend noch H.s Grab begossen und mir den Platz angeschaut, den wohl der Vater bekommt. Der Kopf heckt schon Pläne für die Bepflanzung aus.

Am Freitag um fünf Uhr aufgestanden, weil zwischen sieben und neun die Medizintechnikfirma zur Wohnung meines Vaters kommen wollte, um die Sauerstoffgeräte abzuholen. Bei einer knappen Stunde Fahrweg musste ich also um sechs los. Der Techniker kam – natürlich – erst um halb neun, bis dahin beschäftigte ich mich damit, Schränke durchzusehen und mir einen Überblick zu verschaffen, wo was ist. Wieder zu Hause holte ich beim Nachbarn das Päckchen mit den Trauerkarten ab, setzte Stecklinge von des Vaters Kletterrose ein und telefonierte mit der Mutter. Der Bestatter rief an und berichtete, dass der Vater wahrscheinlich am Dienstag aus dem Krankenhaus abgeholt werde. Ich packte die Sachen zusammen, die ihm angezogen werden sollen und brachte sie nachmittags beim Bestatter vorbei. Anschließend traf ich die Freundinnen K. und I., die nun ein Winterquartier auf den Kanaren buchen, wohin ich eingeladen bin. Auch die Tanten in Schwaben und in Amerika haben mich eingeladen, wenn ich also irgendwann wieder Reiselust verspüre, gibt es Anlaufstellen. Abends ging ich des Vaters MP3-CDs durch und wählte Lieder für die Trauerfeier aus. Es ist absolut nicht meine Musik, aber ich weiß, ihm hätte sie gefallen, und er hätte sie „angemessen“ gefunden. Nur darauf kommt es mir an.

Gestern war ich ziemlich durch, auch weil ich diese Woche durchgehend sehr schlecht geschlafen habe. Es ist wie damals bei H.s Tod: tagsüber bin ich im Tun, da geht es mir sogar ganz gut, aber nachts kommen Stress und Angst heraus und quälen mich. Es war mir wichtig, die Wohnung wieder ein bisschen in Ordnung zu bringen, aber ich war körperlich kaum in der Lage, viel zu schaffen, so blieb es nach einer kleinen Einkaufsrunde beim Aufräumen, Spülen und Wäschewaschen. Danach war ich fix und fertig, und ich hoffe sehr, dass ich irgendwann körperlich wieder ähnlich belastbar sein werde wie vor H.s Tod.

Auf dem Heimweg vom Supermarkt hatte ich gestern eine Idee für eine Collage. Überhaupt gehen mir seit Monaten Ideen für Zeichnungen, Drucke, Collagen und Gemälde durch den Kopf. Mich überrascht das etwas, denn eigentlich sehe ich mich selbst nicht als künstlerischen Menschen, aber offensichtlich ist etwas in mir, das sich anders ausdrücken möchte, bildhaft, nicht in Worten.
Ich setzte mich also abends an den Rechner und „skizzierte“ die Bildidee digital, werde sie aber irgendwann später auf Papier umsetzen.

Zum erstenmal seit zwei Wochen saß ich mal wieder zwei Stunden konzentriert an einer Sache, das war auch schön.

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