2. Juli 2021. Freitag. Geschlafen bis halb sieben. Lustlos und unmotiviert, dabei gleichzeitig von nervöser Energie erfüllt. Sehr unangenehm. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
Vormittags letztes Telefonat mit der Lieblingskundin vor ihrem Urlaub. Alles im grünen Bereich.
Das Päckchen mit der bestellten Technik kommt: Eine extragroße Festplatte für mein Foto-Archiv und ein Bluetooth-Lautsprecher. Alles Dinge, die ich schon letztes Jahr besorgen wollte und mit H. abgesprochen. Es war halt bisher einfach nicht das Geld da.
Ich komme nicht so richtig zu einem Punkt, was ich tun soll, also versuche ich es mit „aufräumen“: Browsertabs. Fotos auf die neue Platte kopieren. In mich hineinhören: Was will ich? Was täte mir gut?
Sprunghaft im Denken. Überall mal die Nase reinstecken und dann wieder was anderes machen.
Nachmittags besuche ich Freund B. Auch hier bin ich angespannt und „nicht ich selbst“.
Wir schauen uns zwei Konzertfilme aus seiner Sammlung an: Laurie Anderson und Talking Heads. Dinge, die B. gefallen und teilweise auch H. „angemacht“ haben. Gutes FUtter für mich.
Es wird spät.
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100-Tage-Check-In:
Am 18. April habe ich darüber nachgedacht, wo ich in 100 Tagen sein will.
Inzwischen sind 75 Tage vergangen, es bleiben noch 25. Endspurt.
Wo stehe ich?
Das waren die Wünsche:
Ich wünsche mir Menschen in meinem Leben, mit denen ich meine Zeit verbringe.
Das müssen nicht jeden Tag dieselben Menschen sein, es wäre ok, wenn ich zum Beispiel feste Tage für bestimmte Aktivitäten habe:
Einen Tag spazieren mit Freundin B., einen Tag irgendwo ein paar Stunden arbeiten, einen Tag wechselnde Menschen treffen.
Gerne auch einen oder zwei Tage alleine zu Hause mit Zeit für Hausarbeit und Hobbies. Einen Tag für Besuche bei M. oder P. oder anderen Menschen.
Ich wünsche mir, dass Menschen Dinge mit mir unternehmen wollen, mich zum Beispiel einladen, sie irgendwohin zu begleiten.
Ich wünsche mir einen Ort, an dem ich mich einbringen kann, ein Team, in dem ich arbeiten kann. Gerne mit TSO.
Oder mit jemandem, den ich vielleicht erst noch kennenlerne.
Ich möchte meine Arbeit bequem schaffen und so viel Geld verdienen, wie ich brauche.
Ich möchte einen inneren Dialog mit H. haben/ führen können.
Ich möchte an einem Punkt sein, wo ich seinen Tod akzeptiere und darüber traurig sein kann.
Ich möchte die Gefühle nicht mehr wegdrücken müssen.
Ich möchte, dass der ganze Verwaltungskram, der mit seinem Tod zusammenhängt, erledigt ist.
Ich hätte gerne einen Weg gefunden, die innere Anspannung anders loszuwerden als mit skin picking bzw. sie ganz aufzulösen.
Es wäre toll, wenn meine Wohnung wieder wohnlich aussieht und nicht wie ein Lager.
Und wie sieht es damit aus, auch im Vergleich zu den beiden Check-Ins nach 25 Tagen und nach 50 Tagen?
Nun, viel hat sich seit dem letzten und vorletzten Mal nicht verändert:
Meine Kontakte beschränken sich nach wie vor auf Freund B. und Freundin B. Mehr oder weniger regelmäßige Spaziergänge mit ihr, gelegentliche Treffen und quasi tägliche Telefonate oder Chats mit ihm. Mit anderen Menschen läuft wenig, das liegt aber hauptsächlich an mir: ich habe neben der Arbeit, den Besuchen am Grab und den Spaziergängen mit B. keine Energie für anderes.
Der Ort, das Team, in das ich mich einbringen kann, ist nach wie vor ein starker Wunsch. Aber auch hier binich gerade etwas ratlos: Was? Wann? Wie?
Das Bedürfnis ist da und stark, aber mit der Umsetzung tue ich mich schwer. Ich scheine zu warten, dass etwas kommt. Riskant.
Arbeit bequem schaffen und genügend verdienen – trotz einiger größerer Zahlungen reicht das Geld nach wie vor hinten und vorne nicht. Und die Arbeit schaffe ich kaum, weil mich immer noch die schiere Menge des Angesammelten komplett blockiert. Und weil ich nach wie vor völlig erschöpft bin und den Spagat zwischen ‚Auszeit für notwendige Erholung nehmen‘ versus ‚Liegengebliebenes abarbeiten, um langfristig den Druck zu reduzieren‘ nur mit Mühe hinbekomme.
Trauerarbeit ist im Gange und kostet Zeit und Kraft. Von beidem ist nie genug da. Daraus resultiert permanenter Stress und Überforderung.
Der Verwaltungskram reduziert sich weiter. Als nächstes steht die Steuer und die Abmeldung der Firma an.
Die innere Anspannung resultiert aus Stress und Überforderung. Das muss weg. Ursachen bekämpfen, nicht die Auswirkungen.
Zumindest gelingt es mir, dass die Wohnung nicht weiter zuwächst und verwahrlost. Bin ständig am Herumräumen und Sachen noch besser Verstauen.
Fazit:
So richtige Fortschritte mache ich nicht. Der zentrale Punkt ist nach wie vor mein Umgang mit den vielen Anforderungen, die von außen kommen (Arbeit, Finanzen, Verwaltungskram). Solange es mir nicht gelingt, sie wirksam und dauerhaft zu reduzieren, werde ich nie genug Zeit und Kraft haben, um Neues anzufangen, neue Menschen kennenzulernen, neue Projekte anzugehen.
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Woran ich mich erinnern will:
Die Erleichterung, wenn etwas Befürchtetes nicht passiert
What I did today that could matter a year from now:
Den Kopf mit Eindrücken füttern.
Was wichtig war:
Ausruhen.
Rausgehen.
Kontakt.
Musik hören.
Begegnungsnotizen:
Freund B.
Menschen in U- und S-Bahn.